Anlässlich des im kommenden Jahr bevorstehenden 150. Jubiläums der Einweihung des Wilhelmsturms lud die Oranienstadt Dillenburg zu einer wissenschaftlichen Tagung. Organisiert vom Stadtarchiv Dillenburg in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Institut für Landesgeschichte, widmete sich die Konferenz dem Denkmal auf dem Dillenburger Schlossberg, das Wilhelm I. von Oranien, dem „Befreier der Niederlande“, gewidmet ist. Ziel der sehr gut besuchten Veranstaltung war es, die Entstehung, Nutzung und historische Bedeutung des Turms zu beleuchten und eine Einordnung in die deutsche und europäische Denkmallandschaft vorzunehmen.
Simon Dietrich (Dillenburg) betonte in seinem einführenden Vortrag, dass der Wilhelmsturm einen Erinnerungsort für Dillenburg schuf, nachdem das Schloss im 18. Jahrhundert zerstört worden war. Als binationales Projekt, von einer Niederländerin finanziell unterstützt und von Bürgermeister Benjamin Gail sowie August Spieß initiiert, ist der Turm einzigartig in der deutschen Denkmallandschaft des Kaiserreichs. Hartmut Heinemann (Wiesbaden) stellte die niederländische Prinzessin Marianne als bedeutende Mäzenin vor, ohne deren großzügige Unterstützung das Bauvorhaben gescheitert wäre. Wolfgang Alberth (Ohmden) analysierte den Wilhelmsturm als ein Beispiel des Historismus, das Elemente verschiedener Baustile vereint. Im Inneren des Turms zeugen Wandmalereien von Wilhelms Leben und symbolisieren sowohl seine militärischen Erfolge als auch persönliche Konflikte. Die zweite Sektion der Tagung beleuchtete die Rezeption Wilhelms in den Niederlanden: Lotte Jensen (Nijmegen) schilderte ihn als nationales Symbol für Freiheit und Frieden, während Malena Rotter (Kassel) die ikonografische Entwicklung seiner Darstellung untersuchte – die von militärischen Porträts in der Jugend bis hin zu bürgerlichen Darstellungen im Alter reichten. Im öffentlichen Abendvortrag weitete Winfried Speitkamp (Erfurt) den Blick und stellte die Denkmalkultur im Kaiserreich und den heutigen Umgang mit diesem kulturellen Erbe vor. In der dritten Sektion wurde der Wilhelmsturm mit anderen Denkmälern verglichen. Andreas Martin (Chemnitz) zeigte, dass Aussichtstürme im 19. Jahrhundert als Orte nationaler Bildung dienten. In der letzten Sektion standen dagegen die (touristische) Nutzung und die Rezeption des Gebäudes im Mittelpunkt. Nachdem Daniel Groth (Dillenburg) den Turm als Museum vorgestellt hatte, präsentierte Angela Schwarz (Siegen) den Wilhelmsturm als frühes Beispiel für Geschichtstourismus. Zum Abschluss zeigte Katherine Lukat (Wiesbaden) Anhand der Feierlichkeiten zum 400. Geburtstag Wilhelms dessen Umdeutung durch die Nationalsozialisten, die ihn 1933 als Führerfigur stilisierten, um die eigenen politischen Ziele zu legitimieren.
Die Tagung verdeutlichte, dass der Dillenburger Wilhelmsturm mehr ist als ein historisches Bauwerk: Er steht im Spannungsfeld zwischen bürgerlicher Identität, internationaler Erinnerungskultur und nationaler Vereinnahmung. Die Publikation zur Veranstaltung soll im zur Feier des Jubiläums im kommenden Jahr vorliegen.