Das Hessische Institut für Landesgeschichte (HIL) bietet die Möglichkeit an, Praktika zu absolvieren und ermöglicht es so Interessierten, Einblicke in ein Berufsfeld geschichtswissenschaftlichen Arbeitens zu erhalten. Der folgende Bericht wurde im Anschluss eines vierwöchigen Praktikums im HIL im August/September 2024 erstellt und soll auf einige Arbeitsbereiche eingehen, in die ich Einblicke erhalten konnte.
Mit dem Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen (LAGIS), dem digitalen Informationsangebot des HIL, werden wissenschaftlich gesicherte Informationen zur Landesgeschichte und geschichtlichen Landeskunde von Hessen vom Frühmittelalter bis in die Zeitgeschichte der breiten Öffentlichkeit in themenbezogenen Kategorien bereitgestellt, indem LAGIS einen kostenfreien und uneingeschränkten Zugang zu einem breit gefächerten Angebot historischer und landeskundlicher Themen ermöglicht. Die einzelnen Module und das Informationssystem selbst werden fortlaufend ergänzt und erweitert.
Die kartografischen Themen sind unter der Kategorie „Atlanten und Karten“ zusammengefasst, die sich wiederum in mehrere Module gliedert. Mit dem Modul „Urkataster+“, bei dessen Karten es sich um historisches Archivmaterial aus dem 18. bis 20. Jahrhundert in Form von (Ur-)Katasterkarten handelt, wird eine moderne interaktive Kartenanwendungen zur Verfügung gestellt. Als Vorläufer von heutigen Liegenschaftskarten handelt es sich auch bei den damaligen Katasterkarten um parzellengenaue Aufzeichnungen zur Dokumentation von Grundeigentum. Durch Georeferenzierung der gescannten Katasterkarten auf das heutige Amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem ALKIS lassen sich Rasterdaten mit Raumbezug erstellen. Somit entsteht ein möglichst genaues historisch-kartografisches Kartenbild für einen bestimmten Zeitabschnitt. Die Entwicklung der einzelnen Grundstücke und ihrer Bebauung lässt sich dann z.B. durch Überblendung oder Split-Screen mit jüngeren bzw. aktuellen Karten nachvollziehen und mit hoher Genauigkeit digital darstellen.
Da im LAGIS-Modul „Urkataster+“ einige Städte noch nicht erschlossen sind, wurde mir für die Praktikumszeit die Bearbeitung der südhessischen Stadt Lindenfels anvertraut. Ziel war es, das gegebene historische Kartenmaterial der Stadt für den Zeitschnitt 1877–1882 mit dem Geographischen Informationssystem QGIS einzuarbeiten, sodass nach erfolgreicher Bearbeitung eine Veröffentlichung erfolgen konnte. Hierfür wurde der Web-Map-Service von ALKIS genutzt. Mit zusätzlicher Hilfe durch eine historische Flurübersichtskarte, die eine erste, grobe Orientierung bot und die ebenfalls georeferenziert und veröffentlicht wurde, war es möglich, die einzelnen Parzellenkarten der bebauten Gebiete zu georeferenzieren und auf die aktuelle Liegenschaftskarte zu projizieren. Das daraus entstandene Kartenmaterial wurde in das Modul „Urkataster+“ eingebunden und ist nun mit verschiedenen wählbaren Hintergründen zugänglich.
Neben diesem Projekt, das zentraler Bestandteil des Praktikums war und dementsprechend Zeit band, gab es auch zahlreiche andere spannende kennenzulernende Themenschwerpunkte und Aufgabenbereiche des HIL, die für Geschichtsinteressierte sehr aufschlussreich sein können. Die Möglichkeiten, sich einzubringen und an der Realisierung verschiedener (Teil-)Projekte mitzuwirken, sind vielfältig und ermöglichen es, sich einen guten Überblick über mögliche Themen und Arbeitsbereiche des Berufsfeldes von geschichtswissenschaftlich Arbeitenden zu verschaffen.
Eine der Fülle an möglichen Aufgaben gerecht werdende Beschreibung kann an dieser Stelle nicht erfolgen, aber drei der Aufgaben während des Praktikums seien noch knapp entfaltet:
Als raumbezogener Kern in LAGIS gilt das Historische Ortslexikon mit grundlegenden Informationen zur Geschichte von mehr als 13.500 hessischen Städten, Dörfern, Burgen, Siedlungen und Wüstungen, die sich über kartografische Darstellungen lokalisieren lassen. So bestand eine Aufgabe darin, kurze Ortsbeschreibungen für einige Ortschaften des Landkreises Hersfeld-Rotenburg zu erstellen, bei denen betreffend der Lage, Verkehrslage und der Siedlungsentwicklung noch keine näheren Informationen im Modul hinterlegt waren. Für die Erstellung der Ortsbeschreibungen war eine Orientierung an den für die jeweiligen Ortschaften vorliegenden digitalen Karten in LAGIS hilfreich. Dazu boten sich die Liegenschaftskarten, topographischen Karten und Luftaufnahmen der jeweiligen Maßstäbe an. Dabei war es bei den topographischen Karten möglich, verschiedene Zeitabschnitte aufzurufen, um bspw. die Dorfentwicklung beurteilen zu können. Des Weiteren war der Zugriff auf Landesaufnahmen des 19. Jahrhunderts und Luftaufnahmen des 20. Jahrhunderts möglich. Funktionen wie der Karten- und Ebenenvergleich oder das 3D-Kartenmodell bieten dabei eine weitere Hilfestellung für möglichst detaillierte Ortsbeschreibung.
Bei der Digitalisierung von kulturellem Erbe spielen Normdaten eine zunehmende Rolle. Sie dienen der eindeutigen Identifikation von Einheiten wie Personen, Sachbegriffen und Werken. Normdaten erlauben es, Informationen für die Recherche und Nutzung leichter zusammenzuführen. Für das Modul „Grabdenkmäler“ in LAGIS war es nun Aufgabe, durch die Recherche mit der Gemeinsamen Normdatei (GND) Vorzugsbenennungen und die zugehörigen GND-ID für bereits vergebene, teils unpassende Sachbegriffe zu sammeln. Da verschiedene kulturelle Einrichtungen, wie Institute, Museen und Archive, teils unpassende, nicht genormte Sachbegriffe für die Suche in den eigenen Systemen vergeben, ist eine Umstrukturierung durch Orientierung anhand von genormten Sachbegriffen perspektivisch, mit Blick auf eine angestrebte Vereinheitlichung, zu empfehlen. Somit wurde ein Teilschritt zur Standardisierung des LAGIS-Moduls Grabdenkmäler unternommen. Als Anschlussvorhaben ist die Überführung auch in andere Informationssysteme angestrebt.
Für ein weiteres Teilprojekt war es perspektivisch angestrebt, innerhalb der Provinzen des Großherzogtums Hessens die Konfessionszugehörigkeiten der Einwohner von Ortschaften und bewohnten Flächen zu erfassen. Für dieses Vorhaben stützte sich die Recherche zunächst auf eine statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogtums, angefangen mit der ehemaligen Provinz Starkenburg. Die Recherche hierfür war aufschlussreich und soll zu einem wissenschaftlich erarbeiteten und validierten Informationsangebot beitragen, das zur Verbreitung historischen Wissens adäquat beiträgt.
Ein Praktikum im HIL bietet die Möglichkeit, zahlreiche Einblicke in die vielen verschiedenen Arbeitsbereiche des Instituts zu erhalten. Die Möglichkeit, mehrere Aufgaben parallel bearbeiten zu können und etwas ungebundener bestimmen zu können, wann man wie viel Zeit in eine bestimmte Aufgabe investieren möchte, führte, trotzdem im zeitlich vorgesehenen Rahmen bleibend, dazu, selber Schwerpunkte, was die möglichen Aufgabenbereiche anbetrifft, setzen zu können. Das sorgte für eine gute abwechslungsreiche Arbeit, was die Motivation zusätzlich förderte.
Das Praktikum im HIL hat mir eindeutig Perspektiven für das weitere Studium und mögliche Berufsfelder aufgezeigt. Für mich persönlich war die Idee zu einem Praktikum im HIL, im Rahmen der Möglichkeiten eines studentischen Praktikums, die bestmögliche Entscheidung und zudem eine wirklich tolle Gelegenheit weitere Erfahrungen für die berufliche Zukunft zu sammeln. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitenden, die zu dem für mich sehr erfolgreichen Praktikum beigetragen haben.
Ronny Bruckmann, Praktikant im Hessischen Institut für Landesgeschichte (19.08–13.09.2024).