Gruppenfoto Euthanasie Beirat

Studie zur Aufarbeitung der Opfer der NS-„Euthanasie“ mit Schwerpunkt Zwischenanstalten von Hadamar

Lesedauer:4 Minuten

Das Projekt

Im Forschungsprojekt werden die psychiatrischen Anstalten in Eltville, Herborn, Idstein und Weilmünster während des Nationalsozialismus untersucht. Es handelt sich um vier von über 20 auf dem Gebiet des Deutschen Reiches eingerichteten „Zwischenanstalten“, die der Verschleierung und der effektiveren Organisation des planmäßigen Massenmords an insgesamt über 70.000 psychisch Kranken dienten. Die vier namentlich genannten, auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen liegenden „Zwischenanstalten“, waren Durchgangsstation für einen Großteil der im Tötungszentrum Hadamar zwischen Januar und August 1941 Ermordeten. Meist verbrachten die zum Tode Bestimmten in ihnen nur wenige Wochen, bevor sie nach Hadamar abtransportiert und dort im Normalfall noch am selben Tag in als Duschräumen getarnten Gaskammern ermordet wurden. Die „Zwischenanstalten“ wurden nach dem Ende der nachträglich als „Aktion T4“ bekannt gewordenen Mordphase auch selbst zu Orten des massenhaften Sterbens. In einigen Anstalten wurde nun mit Medikamentenüberdosierung gezielt getötet, wurden lebensnotwendige Medikamente nicht mehr oder in nicht ausreichender Menge verabreicht und wurden die Patient:innen absichtlich so ausgehungert, dass sie an Entkräftung und Infektionen starben. Diese lokalen Entwicklungen werden genau untersucht und in die Geschichte des Nationalsozialismus und der Katastrophenmedizin der Kriegsjahre eingeordnet.

Das Ziel

Ziel ist es, eine übersichtliche und verlässliche Informationsbasis zu den „Zwischenanstalten“ im Nationalsozialismus zu schaffen und diese Einrichtungen als Orte des Leidens und Mordens stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Das Projekt dient damit zugleich der fachwissenschaftlichen Erforschung wie auch der Erarbeitung eines gesicherten Wissensstandes für die Erstellung erinnerungskultureller Konzepte.

Die Vorgeschichte

Mit in die Untersuchung einbezogen werden daher auch die Vorgeschichte seit Ende der 1920er Jahre sowie die unmittelbare Nachkriegszeit. Denn zum einen verfolgte man schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 – in den unterschiedlichen Regierungsbezirken je eigene – Wege zu einer sparsamen Psychiatriepolitik. Zum anderen hörte mit dem Kriegsende das allgegenwärtige Sterben in den psychiatrischen Einrichtungen nicht auf. Die Todesraten erreichten während des Hungersterbens in der unmittelbaren Nachkriegszeit sogar neue Höhen. Ergänzende Berücksichtigung finden auch die weiteren „Zwischenanstalten“ Hadamars sowie andere hessische Versorgungseinrichtungen für psychisch kranke Menschen. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der Erforschung und Beschreibung des Lebensalltags in den psychiatrischen Versorgungseinrichtungen. Denn nicht nur die Ermordeten waren Opfer einer menschenverachtenden Psychiatriepolitik, auch die Überlebenden wurden massiv vernachlässigt, als Arbeitskräfte ausgebeutet und nicht selten auch zu Opfern körperlicher Gewalt.

Wissenschaftlicher Beirat

Für das Projekt wurde ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. In ihm sind Zeithistoriker:innen, Gedenkstätten- und Archivleiter:innen sowie Repräsentanten des Landeswohlfahrtsverbandes und des Bundes der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten versammelt. Der Beirat gewährleistet Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, unterstützt die Bearbeiter und sichert die Qualität der Arbeitsergebnisse. Die Veröffentlichung des Abschlussberichts sowie eines umfassenden Online-Angebots sind für Herbst 2024 vorgesehen.

Kontakt

Dr. Steffen Dörre

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

"Euthanasie"-Projekt

Hessisches Institut für Landesgeschichte
Wilhelm-Röpke-Straße 6c
35039 Marburg

Kontakt

Tobias Karl, M.A.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

"Euthanasie"-Projekt

Fax

+49 6421 28-24799

Hessisches Institut für Landesgeschichte
-Raum 07C03-
Wilhelm-Röpke-Straße 6c
35039 Marburg

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